Abendveranstaltung der Deutsch-Türkischen Gesellschaft e.V. am 06. November 2025

Am 25. Juni hat die Deutsch-Türkische Gesellschaft e.V. ins Haus für Poesie in Berlin eingeladen

Als Präsident dieses Vereins ist es mir ein großes Anliegen, im Jahresverlauf eine breite Vielfalt an Themen mit unseren Mitgliedern und interessierten Gästen zu diskutieren. An diesem Abend haben wir uns einem sehr komplexen Thema gewidmet: den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Türkei und Deutschland bzw. Europa mit speziellem Fokus auf die Industrie- und Lieferkettenpolitik der Türkei.
Diese ist sehr außenpolitisch geprägt, auch der Handel zwischen Deutschland und der Türkei steht immer unter dem Einfluss außenpolitischer und diplomatischer Einflüsse.

Das macht die Grundsituation äußerst komplex, was von unseren Experten an dem Abend sehr schnell deutlich gemacht wurde:

Dr. Yasar Aydin ist Wissenschaftler beim Centrum für angewandte Türkeistudien (CATS) in Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt liegt bei den EU-Türkei-Beziehungen, türkischer Migration und Diaspora in Deutschland sowie der Wirtschaft der Türkei. Er hat gerade eine Studie zur Industrie- und Lieferkettenpolitik der Türkei veröffentlicht.


Ozan Demircan ist Journalist und war an dem Abend aus der Türkei zugeschaltet. Er hat lange Zeit für das Handelsblatt sowie zuletzt The Pioneer geschrieben und ist Experte für die Deutsch-Türkischen Handelsbeziehungen.

Sehr deutlich wurde in der Diskussion, dass die Türkei aufgrund ihrer geografischen Lage eine extrem wichtige geostrategische sowie außenwirtschaftliche Position für Deutschland und Europa einnimmt. Gleichzeitig ist diese Lage, umgeben von Staaten die fast alle einen größeren Konflikt in den vergangenen Jahrzehnten zu bewältigen hatten, sehr zu unterscheiden von beispielsweise Deutschlands Ausgangslage für Außenhandel. Die Türkei birgt für Investoren aufgrund der innenpolitischen Lage große Risiken, gleichwohl berichten deutsche Unternehmen, die schon lange vor Ort aktiv sind von den unvergleichlichen Vorteilen, die der Standort Türkei bietet. „Wer erst einmal dort ist, bleibt – Neueinsteiger tun sich schwer“ so das Fazit.


Der Handel zwischen der Türkei und Europa wächst trotz aller Umstände, bleibt aber – auch da waren sich unsere Experten einig – weit unter seinem eigentlichen Potential. Zumal die türkische Industrie sehr dynamisch ist. Im Textil- sowie Tourismussektor ist beispielsweise eine Entwicklung erkennbar, dass diese Sektoren zu teuer geworden sind. Im Urlaubsgeschäft ist das lange von ausländischen Touristen geschätzte Preis-Leistungsverhältnis bedroht. Türkische Zulieferer der Textilbranche verlagern ihre Produktion inzwischen selbst in günstigere Länder wie z.B. Ägypten. Gleichzeitig schaffen es türkische Unternehmen, z.B. aus dem Verkehrs- oder Verteidigungssektor, zunehmend, durch Übernahmen von europäischen Unternehmen Einfluss in Europa als auch Zugang zu EU-Mitteln zu gewinnen. Ein Beispiel hierfür sei der Zusammenschluss des türkischen Drohnenherstellers Baykar mit dem italienischen Rüstungskonzern Leonardo.


Für Deutschland stellt sich in dieser Zeit immer mehr die Frage, wie es gelingen kann, wertebasierte Außenpolitik und pragmatische Handelspolitik miteinander zu verbinden. Ohne Zweifel ist die Türkei auch auf westliche Partner angewiesen und natürlich wünscht sich Deutschland eine Türkei an der Seite Europas. Wir können unsere normative Brille nicht komplett absetzen und müssen weiterhin klar und deutlich für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einstehen. Gleichzeitig laufen wir Gefahr „zu spät zur Party zu kommen“, so der einheitliche Tenor auf dem Podium. Wenn wir jetzt nicht die Wirtschaftsbeziehungen intensivieren, werden am Ende andere Staaten die Nutznießer sein, beispielsweise China oder Indien, die ebenfalls die Türkei im Blick haben. Zu dieser „Neujustierung“ der deutschen Türkeipolitik sollte auch gehören, die Bearbeitungszeiten für Visa für Unternehmer deutlich zu verkürzen. Wir durften den Abend dankenswerterweise in den Räumlichkeiten der Türkisch-Deutschen Unternehmervereinigung e.V. ausrichten. Die dort Beschäftigten berichten von Wartezeiten ihrer Mitglieder auf ein Visum von deutlich über einem Jahr. Das kann, hier waren sich alle einig, keine dauerhafte Grundlage für einen guten wirtschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und der Türkei sein.



Für die Zukunft müssen wir Schnittstellen und gemeinsame Interessen identifizieren und eine pragmatische, zugleich aber ehrliche Außenwirtschaftspolitik mit der Türkei etablieren, die dem jahrzehntelangen freundschaftlichen Verhältnis der beiden Länder gerecht wird. Ich freue mich auf viele weitere gute Diskussionen zu diesem Thema und hoffe, dass nach und nach Fortschritte erkennbar sein werden – sowohl was die Wirtschaftsbeziehungen aber auch die Wiederannäherung der Türkei an die demokratischen Werte Europas anbelangt.


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